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Sonntag, 11. April 2010

Raum für neue Ideen

Äußerst begrüßenswert ist eine Initiative des bekannten Finanzspekulanten George Soros: Das »Institute for New Economic Thinking«.

Das Institute dient der Ermöglichung ökonomischer Forschung abseits des gängigen ökonomischen Paradigmas. Vgl. auch folgenden Artikel im Handelsblatt: »Millionen-Angriff auf etablierte VWL«

Die Internetseite des Instituts ist leider etwas schwerfällig. Es gibt aber bei YouTube einen Kanal des Instituts (»INETeconomics«), auf dem man die Videos, in denen die Mission des Instituts in verschiedenen Interviews anschaulich beschrieben wird, direkt ansehen kann.

(Update: Die Internetseite des INET wurde deutlich verbessert, es gibt dort u.a. eine Liste der verfügbaren Videos. [Leider funktioniert ClickToFlash {eine Safari-Erweiterung} auf der INET-Seite nicht.])

Nachtrag 1:
Dazu auch: Handelsblatt: »Millionen-Angriff auf etablierte Ökonomie« (über die Eröffnungskonferenz des Instituts in Cambridge [UK]).

Nachtrag 2:
Während einige der als Video teilweise veröffentlichten Beiträge auf der Eröffnungstagung meine geringen Erwartungen an die ökonomische Wissenschaft eher bestätigen, ist der mit Abstand beste, wirklich sehenswerte Beitrag bisher der Beitrag von George Soros selbst. Interessant ist aber auch der Beitrag von Richard Koo.

Nachtrag 3:
OK, ein sehr schöner – und ziemlich lustiger – Beitrag ist der von Joseph Stiglitz, in welchem dieser über viele Annahmen in Modellen der h.L. in der VWL herzieht, u.a. über die des „representative agent“ und (in Ansätzen) über die gängige Modellierung des Arbeitsmarktes.

Nachtrag 5:
Die Beiträge werden offenbar nach und nach eingestellt. Ein ganz wunderbarer Beitrag ist der von Robert Skidelsky.

Nachtrag 4:
Ein ganz schlimmer – sicher der schlimmste – Beitrag ist der des Deutschen Harald Uhlig, der sich nicht entblödet, eine abstrakte Grafik (wahrscheinlich aus dem Internet kopiert), die an einige Kompositionen Mondrians angelehnt ist, als eine zulässige Abstraktion eines Baumes darzustellen. Zitat (5:55m): “Economic Models are not meant to be realistic. It would be wrong if they were realistic. They are not attractive if they are realistic.” Wer solche Ökonomen hat, braucht keine Künstler mehr. Uhlig schafft es, in einem Vortrag nicht nur das Konzept der Abstraktion falsch zu verstehen (für einen Ökonomen nicht ganz ungewöhnlich), sondern auch noch das Konzept der Falsifikation von Annahmen. Zitat (6:55m): “If you have a theory you can’t reject, it’s probably not a good theory. […] You want theories that are easy to reject, that are obviously false, in the way that the Mondrian picture is an obviously false picture of a tree.” Und ich dachte, schlimmer als Friedmans F-Twist geht nicht. Prädikat: unterirdisch.

Dienstag, 26. Mai 2009

Kritik, die eine Bestätigung ist

Im FTD-Blog »Wirtschaftswunder« schreibt David Milleker unter dem Titel »Wirtschaftswissenschaft in der Krise?«, die Kritik an der herrschenden ökonomischen Lehre gehe ins Leere.
Begründen tut er dies mit folgendem Argument:
»Diese Einschätzung basiert nicht zuletzt darauf, dass zwei der wesentlichen Kritikpunkte am heutigen Stand der Wirtschaftswissenschaften nicht zutreffen: erstens die Kritik am Bild des Homo Oeconomicus als rational handelndem Wesen, und zweitens die des vollständigen Marktes. Beide sind zweifellos zentrale Bestandteile des Modellbaukastens der neoklassischen Ökonomik und beide sind nicht sonderlich realitätsnah. Natürlich ist ein Modell nicht[s] anderes als eine mitunter stark vereinfachende Abbildung der Realität. Der einzige Anspruch, dem ein Modell gerecht werden muss, ist, ex ante bessere Zukunftseinschätzungen zu liefern als andere Ansätze.«
Er fügt hinzu:
»Legt man dagegen den Maßstab der ex ante Prognosegüte zugrunde, so ist der Fehler der ökonomischen Modellwelten an zwei anderen Stellen zu suchen: zum einen an dem in beiden großen Denkschulen verwendeten Ansatz des repräsentativen Konsumenten bzw. Unternehmens; zum anderen in der wesentlichen Vernachlässigung des Faktors Zeit. Beides hat zur Folge, dass die zyklische Dynamik einer Volkswirtschaft nur durch äußere Einflüsse aber nicht systemimmanent dargestellt wird.«
Was ist davon zu halten?
Die erste Argumentation ist der sogenannte »F-Twist«, mit dem Milton Friedman sich gegenüber Kritik an kontrafaktischen – also falschen – Annahmen zu isolieren suchte. Annahmen müßten nicht der Realität entsprechen, sondern nur die auf ihnen fußenden Modelle richtig prognostizieren. (Dazu Keen, »Debunking Economics«, S. 150 ff.) Nun gibt es natürlich Annahmen, die gewisse Faktoren vernachlässigen und somit zulässige Abstraktionen darstellen. Letztlich sind alle unsere Vorstellungen Abstraktionen. Es gibt aber auch Annahmen, die den in der Wirklichkeit vorkommenden Phänomenen nicht ent-, sondern widersprechen. Sie sind keine Abstraktionen, sondern falsche Annahmen. Wieso aber sollte ein Modell mit falschen Annahmen richtig prognostizieren? (Das tun die Modelle der VWL ja nun offensichtlich auch nicht.) Eine solche Argumentation verstieße mangels überprüfbaren Kausalzusammenhanges gegen die Denklogik wissenschaftliche Methode und ist damit rundheraus abzulehnen. Damit ist Millekers Argument auf die Streitfrage reduziert, ob die Annahmen homo oeconomicus und vollständiger Markt nun falsch sind, oder lediglich Abstraktionen darstellen. Richtigerweise sind sie falsch, weil sie zirkelschlüssig (homo oeconomicus) bzw. widersprüchlich (»perfekte Konkurrenz«) sind, was in diesem Rahmen allerdings nicht ausführlicher behandelt werden kann.
Millekers Kritik ist aber auch sonst nicht als Verteidigung der VWL geeignet, weil sie zwar einen Teil der Kritik (zu unrecht) ablehnt, aber zugleich einen anderen Teil der Kritik mit deutlichen Worten bestätigt und hervorhebt.
Willkommen im Lager der Kritiker, Herr Milleker! Die Überschrift müßte nicht lauten »Wirtschaftswissenschaft in der Krise?«, sondern »Wirtschaftswissenschaft in der Krise!«.

Montag, 27. April 2009

Der Blick für das Gesamte

Lobend erwähnen möchte ich an dieser Stelle die VDI-Nachrichten (Nachrichten des Vereins deutscher Ingeniere), die sich erneut kritisch mit der herrschenden ökonomischen Lehre auseinandersetzen bzw. einen kritischen Ökonomen zu Wort kommen lassen, und zwar in einem Interview mit Heiner Flassbeck unter dem Titel »Gewinne müssen einer Volkswirtschaft zugute kommen«.
Das Interview gefällt mir auch deswegen so gut, weil es ganz praktisch erläutert, weshalb es falsch ist, die Wirtschaft mit einzelnen Wirtschaftssubjekten zu verwechseln bzw. gleichzusetzen. Das ist leider ein geläufiger Kardinalfehler der herrschenden ökonomischen Lehre, die oft mit sog. »repräsentativen Einzelhandelnden«, sog. »representative agents« arbeitet. D.h. die Gesellschaft wird behandelt, als bestehe sie aus einer Person (Für die Informatiker da draußen: Eine Representative-Agent-Modell setzt gewissermaßen Klasse und Instanz gleich.), sie wird modelliert als »horde of clones, consuming commodities which are identical to each other« [Keen, Debunking Economics, S. 47 – Pflichtlektüre!]. Damit wird der Wirklichkeitsbezug gleich von Anfang an aus diesen Modellen entfernt.
Der Titel des Interviews gefällt mir allerdings nicht so sehr:
Erstens suggeriert er mit den Anführungszeichen, daß Flassbeck diesen Satz so gesagt habe, dabei hat Flassbeck Schumpeter zitiert, und zwar im Zusammenhang mit der Funktion der Konkurrenz.
Zweitens kann er als eine Kritik an der »Gerechtigkeit« der Verteilung verstanden werden. Da der Begriff der Gerechtigkeit unscharf und umstritten ist, kann sich die herrschende ökonomische Lehre immer mit dem billigen Argument, sie kümmere sich nicht um die Gerechtigkeit, sondern um die »Effizienz« herausreden (wobei »Effizienz« tautologisch auf den Tausch bezogen definiert wird, aber das führt an dieser Stelle zu weit). Hier geht es aber um eine Kritik an der Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft, Wohlstand zu produzieren, und damit um eine rein ökonomische Frage, unabhängig vom Begriff der Gerechtigkeit.
Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, daß konservative und (wirtschafts-)liberale Zeitgenossen in der Regel nicht in der Lage sind, die ökonomische Kritik an der neoliberalen Marktwirtschaft zu erfassen. Für sie ist die »linke« Kritik an der Marktwirtschaft immer nur eine Gerechtigkeitsfrage, die von ihnen als »Neiddebatte« abgetan wird, weil ihnen die neoklassische VWL – de facto ihre Rechtfertigungs-Ideologie – versichert, daß jede Verteilung durch den Markt »effizient« ist, und jede Umverteilung »ineffizient« und damit auch irgendwie ungerecht ist. Die neoliberale Marktwirtschaft ist aber nicht nur »ungerecht« (und das ist sie!), sondern sie ist auch »ineffektiv« [sic!], d.h. sie produziert für alle weniger Reichtum, als eine sozial moderierte Gesellschaft, d.h. auch für die Reichen ist eine moderierte Wirtschaftsordnung besser.